mercredi 16 avril 2008

wiesbadener thesen – grundsätze liberalen handelns

Liberalismus

1. Für uns Junge Liberale in Hessen ist Liberalismus ein Lebensgefühl und eine Lebenseinstellung von Freiheit, Toleranz und Mitmenschlichkeit. Wir stellen bei unseren politischen Überlegungen den Menschen als Bürger in den Mittelpunkt. Gleichzeitig erwarten wir von allen Bürgern unseres Landes, ganz gleich, aus welchem sozialen, religiösen oder ethnischen Umfeld sie kommen, dass sie sich am Aufbau und Erhalt des demokratischen Gemeinwesens nach Kräften beteiligen und Verantwortung für sich selbst und ihr Umfeld übernehmen.
2. Freiheit zur Selbstbestimmung schafft den notwendigen Raum, in dem sich Würde und Glück jedes einzelnen Menschen erst entfalten können. Wir setzen als Liberale auf einen freien Austausch von Ideen und Waren. Wir glauben, dass sich unter den Bedingungen fairen Wettbewerbs die Talente und Fähigkeiten eines jeden Menschen am besten entwickeln können. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen und soll nur dann regulierend eingreifen, wenn sich Strukturen entwickeln, die die Freiheit des Einzelnen behindern anstatt sie zu fördern.
3. Es ist unser erklärter Anspruch, über den politischen Liberalismus weit hinauszugehen und unser liberales Lebensgefühl mit Freiheit, Mut und Verantwortung in alle Bereiche der Gesellschaft hinauszutragen. Wir wollen unsere Freiheit im besten Sinne vorleben.

Staat

4. Die ersten und wichtigsten Grundmauern eines freiheitlichen Lebens in Wohlstand und Sicherheit sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Diese Errungenschaften sind für uns nicht selbstverständlich, sondern wir kämpfen jeden Tag für ihren Erhalt und Ausbau. Macht muss transparent sein. Die Teilhabe am politischen Meinungsfindungsprozess muss jedem Bürger offen stehen.
5. Unverzichtbar ist für uns Liberale ein umfassender Grundrechtsschutz, insbesondere der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In Zeiten der Informationsgesellschaft werden diese Grundrechte ganz selbstverständlich durch Daten- und Verbraucherschutz ergänzt. Der Erhalt der Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind zu Voraussetzungen für einen freien demokratischen Staat geworden. Es kann für Liberale keinen Grund geben, diese Rechte einschränken zu wollen, denn der Zweck kann solche Mittel nicht heiligen.
6. Zur Demokratie nach liberalem Verständnis gehört Minderheitenschutz. In einer freiheitlichen Gesellschaft bedarf es des Schutzes auch gegen die Tyrannei der herrschenden Meinung. Nur wenn es einer Gesellschaft stets gelingt, sich aus sich selbst heraus zu erneuern, kann sie florieren und erstarrt nicht unter dem Diktat der Anpassung.

Offene Bürgergesellschaft

7. Eine gute, umfassende Bildung jedes Einzelnen steht für uns Junge Liberale im Zentrum unserer politischen Bemühungen. Ausgaben für die Erziehung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes, die sich gleich mehrfach bezahlt machen. Lernen ist dabei für uns ein lebenslanger Vorgang, dessen Fundamente früh und sorgfältig gelegt werden müssen. Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung ist eine elementare Grundvoraussetzung, die der Staat gewährleisten muss. Denn nur wer auf sein Wissen und seine Fertigkeiten vertrauen kann, kann sich als mündiger Bürger in unsere Gesellschaft einbringen. Eine vielfältige Schul- und Hochschullandschaft, in der sowohl private als auch öffentlichen Einrichtungen auf durchweg hohem Niveau arbeiten, erscheint uns der beste, liberale Weg zu sein, dieses Ziel zu erreichen.
8. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Als Vertreter eines liberalen Gemeinwesens maßen wir uns jedoch nicht an, zu bestimmen, welche Form des Zusammenlebens die jeweils beste für die Menschen in unserem Land ist. Vertrauen und die Übernahme von generationenübergreifender Verantwortung füreinander machen unseren Familienbegriff aus. Verheiratete Paare, zusammenlebende unverheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder auch Alleinerziehende sind nur einige der vielfältigen Lebensformen, die unsere Gesellschaft bereichern. Ein intaktes familiäres Umfeld aber bildet die Grundlage für eine stabile und selbstbewusste Persönlichkeitsentwicklung. Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen, verdienen deswegen den Schutz der Gesellschaft. Es ist eine besondere Herausforderung, allen Kindern und Jugendlichen, die in unserem Land leben, gerechte Chancen auf ein Leben in Freiheit und Wohlstand einzuräumen: eine Herausforderung, der sich jede wirklich liberale Gesellschaft stellen muss.
9. In der Tradition der europäischen Aufklärung treten wir für einen säkularen, weltanschaulich neutralen Staat ein. Eine offene und tolerante Gesellschaft muss kulturelle Vielfalt nicht nur aushalten, sondern sie als Chance nutzen. Es ist für uns dabei selbstverständlich, dass Toleranz nur denen gegenüber sinnvoll praktiziert werden kann, die wiederum selbst ihren Mitmenschen mit Respekt begegnen. Die gegenseitige Anerkennung der Grund- und Menschenrechte aller Mitglieder einer Gesellschaft ist die erste Grundbedingung friedlichen Zusammenlebens. Wer die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, sein Recht auf Leben und die Gleichwertigkeit von Mann und Frau nicht akzeptieren will, für den ist in der liberalen Bürgergesellschaft kein Platz. Erst dieses Mindestmaß an Achtung voreinander sowie der prinzipielle Verzicht auf Gewalt können ein Klima des Friedens und der Freiheit schaffen und erhalten.

Umwelt, Infrastruktur und Wissenschaft

10. Eine saubere, lebenswerte Umwelt ist essentieller Bestandteil eines erfüllten Lebens. Raubbau an der Natur geht zu Lasten aller Menschen in Deutschland wie in der Welt. Wer die natürlichen Ressourcen unseres Planeten zerstört, raubt kommenden Generationen jede Lebensgrundlage. Wir sprechen uns daher für einen umfassenden Umweltschutz aus. Diese Aufgabe liegt nicht allein beim Staat, sondern die Wirtschaft und jeder einzelne Bürger sind hier ebenso in der Pflicht. Wir setzen auf eine Umweltpolitik der besten Ergebnisse und nicht der besten Absichten. Wo immer möglich sollen marktwirtschaftliche Instrumente einen effizienten Umweltschutz garantieren, strenge staatliche Zielvorgaben sind in diesem Bereich jedoch letztlich oft unerlässlich.
11. In Zeiten knapper Ressourcen und wechselhafter politischer Verhältnisse muss Deutschland seine Energieversorgung vorausschauend, klima- und ressourcenschonend sichern. Langfristig setzen wir Junge Liberale hier auf regenerative Energien, versperren uns aber keiner möglichen Technik von vornherein. Selbstverständlich gilt es, auch beim Ausbau von Infrastruktur und Verkehrswegen darauf zu achten, nachhaltigen, ökologisch sinnvollen Lösungen den Vorzug zu geben.
12. Freiheit von Lehre, Forschung und Wissenschaft schafft Potential für Innovation und Fortschritt. Spitzenforschung an staatlichen Hochschulen, wie an privaten Einrichtungen muss einen noch wichtigeren Platz in Deutschland einnehmen. Nur ein liberal handelnder Staat kann die richtigen, freizügigen Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche Höchstleistungen schaffen, die wir so dringend brauchen, um unsere Vorrangstellung auch in einer globalisierten Welt verteidigen zu können. Nicht Furcht und Rückständigkeit, sondern Neugier, Tatendrang und Optimismus sollen in Fragen der Wissenschaft unsere Ideale sein.
13. Der ungehinderte Zugang zu Informationen ist Voraussetzung für Freiheit, Gleichheit und die persönliche Entfaltung aller Menschen. Das Internet hat hier weltweit eine Schlüsselposition eingenommen. Die Freiheit des Internets und der ungehinderte Zugang zu diesem, sollen uneingeschränkt garantiert werden.

Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit

14. Gewerbe- und Vertragsfreiheit sind die zentralen Pfeiler, auf denen unsere Marktwirtschaft ruht und ohne die dauerhaft keine freiheitliche Gesellschaft existieren kann. Wir vertrauen als Liberale auf die Fähigkeit des Marktes, sich selbst zu regulieren. Letztlich gilt, dass nur umverteilt werden kann, was vorher durch private Initiative am Markt erwirtschaftet wurde. Wir plädieren daher für ein stabiles Geldwesen, für offene Märkte und eine Weltwirtschaft ohne verzerrende Handelsschranken und Subventionen. Die hoheitliche Aufgabe, Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Austausch zu setzen, meint einerseits weitgehende Deregulierung und Nichteinmischung. Sie bedeutet aber auch das konsequente Aufbrechen von Mono- und Oligopolen, die Marktmechanismen außer Kraft setzen und dem Markt so seine Freiheit und Schaffenskraft nehmen.
15. Zur formalen, rechtlichen Garantie des frei gestalteten Lebens muss die Absicherung von existentiellen Lebensrisiken wie Armut und Krankheit durch die Solidargemeinschaft hinzukommen. Wir sprechen uns für ein Bürgergeld im Sinne eines Grundeinkommens aus. So erst lassen sich auch die materiellen Voraussetzungen eines selbstbestimmten Lebens schaffen. Angst lähmt. Nur vor dem Hintergrund einer grundlegenden sozialen Sicherung, die in Fällen echter Bedürftigkeit der Staat jedem Bürger gewährleisten muss, kann sich eine Gesellschaft entfalten.
16. Die generationengerechte Finanzierung unserer Sozialsysteme darf nicht außer Acht gelassen werden. Niemand kann von jungen Menschen in Deutschland verlangen, bedingungslos einen Generationenvertrag zu akzeptieren, bei dessen Aushandlung sie nicht berücksichtigt wurden und der sie in allen Belangen schlechter stellt, als die aktuelle Generation von Beitragszahlern. Es muss unser Ziel als Junge Liberale sein, auch gegen gesellschaftliche Widerstände, die Strukturen der Sozialsysteme zukunftsfest zu machen. Denn während ein Mindestmaß an sozialer Sicherung durch den Staat Sicherheit und somit Freiheit erst ermöglicht, erstickt zuviel staatliche Vorsorge jegliche private Initiative unter einer ausufernden Abgabenlast.

Recht und Gerechtigkeit

17. Freiheit und Sicherheit stehen in einem natürlichen Spannungsverhältnis zueinander. Ein liberales Staatswesen wird der Freiheit immer Vorrang gewähren in dem Wissen, dass sich absolute Sicherheit niemals herstellen lässt und man die Freiheit nicht zu Tode schützen darf. Ein maßvolles, liberales Strafrecht zur Erhaltung der inneren Ordnung steht der unbedingten Achtung der Grund- und Abwehrrechte eines jeden Bürgers gegenüber.

Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik

18. Das geeinte Deutschland ist das Herz und der Motor Europas. Die Wandlung des europäischen Kontinents vom Krisenherd und Ausgangsort zweier Weltkriege zu einer der friedlichsten und lebenswertesten Region der Welt überhaupt innerhalb der vergangenen Jahrzehnte ist eine großartige Erfolgsgeschichte. Es ist unsere Absicht die europäische Einigung entschieden weiter voranzutreiben und zu einem Europa der Regionen zu gelangen. Wir wollen die Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union noch demokratischer machen und setzen uns aktiv dafür ein, den Bürgern Europas ihre gemeinschaftlichen Institutionen näher zu bringen.
19. Die deutsche Außenpolitik ist den Zielen von Freiheit, Frieden und Wohlstand in der ganzen Welt verpflichtet. Auf deren Verwirklichung wollen wir im Rahmen von EU, NATO und UNO in Zukunft noch engagierter hinwirken. Der zentrale Fixpunkt ist dabei die globale Verteidigung der Menschenrechte. Das Recht anderer Völker und Staaten auf Souveränität soll geachtet werden, kann aber nicht das letzte Wort sein, wenn Menschen dauerhaft unter nicht hinzunehmenden Umständen leben müssen. Als ultima ratio ist daher auch der Einsatz militärischer Mittel denkbar. Grundlegende Maßnahmen in der Außenpolitik bilden aber weiterhin der Ausbau wirtschaftlicher und kultureller Zusammenarbeit, sowie eine projektbezogene Entwicklungspolitik als „Hilfe zur Selbsthilfe“.

6 commentaires:

Carina a dit…

Oh yeah, Baby!

mawa a dit…

Sehr hübsch, wenn auch teilweise etwas floskelhaft (was heißt »der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen«?).

Was mir auffällt:
- Liberalismus ausdrücklich nicht nur als Lebenseinstellung, sondern als Lebensgefühl zu verkünden halte ich für letztlich ideologisch und damit nicht liberal.
- Warum das Unwort "Chancengerechtigkeit" schreiben, wenn man Chancengleichheit meint?
- Die Aufzählung von Partnerschaftsformen impliziert, dass ein "Paar" immer aus Mann und Frau besteht.
- Ob ihr einen Unterschied zwischen Umwelt- und Naturschutz macht, und wenn ja, welchen, erscheint nicht.
- "Verteidigung unserer Vorrangstellung" ist eine bedenkliche Formulierung, weil sie das relative Kurzhalten anderer Wirtschaftsräume fordert, was mit dem Ziel, dass die ganze Welt irgendwann hochentwickelt sein soll, nicht zusammenpasst.

Anonyme a dit…

Freiheit, hahaha

ECS a dit…

Natürlich ist Liberalismus auch Ideologie, alles andere macht den organisierten Liberalismus schwierig umzusetzen.

Chancengleichheit gibt es nicht.

Haben wir nicht gleichgeschlechtliche Paare sogar extra erwähnt?

Nö, kein Unterschied zwischen Umwelt und Natur, es sollte sich nur nicht so oft wiederholen.

Verteidigen... tja.. ein bisschen Nationalismus muss sein :)

ECS a dit…

Bei nochmaligem Lesen stelle ich fest, dass Umwelt über Natur zu stehen scheint und folglich mehr einschließt. Gut beobachtet.

mawa a dit…

Natürlich gibt es Chancengleichheit als regulative Idee. Und im Gegensatz zu »Chancengerechtigkeit« hat der Ausdruck eine klare Bedeutung. Im Text sprecht ihr von verheirateten und unverheirateten Paaren, aber nicht von gleichgeschlechtlichen Paaren, sondern Partnerschaften.
Wenn ihr es für ein anzustrebendes politisches Ziel haltet, eine deutsche Vorrangstellung welcher Art auch immer zu zementieren, solltet ihr konsequenterweise auch gegen Freihandel und Entwicklungshilfe sein. Man könnte auch die Bundeswehr einsetzen, um konkurrierende Länder in die Steinzeit zurückzubombardieren.