Resonanz stößt, veröffentliche ich meinen j&l-Artikel auch hier:
Leistungsgerechtigkeit als Leitmotiv des Grundsatzprogramms der FDP
Gelegentlich hört man, aktuell sei nicht die Zeit, sich mit einem Grundsatzprogramm zu beschäftigen in der FDP. Man müsse zuerst mal die Regierungsmannschaft neu aufstellen und endlich „liefern“ im Bund und in den Ländern. Was genau allerdings „geliefert“ werden soll, darüber besteht Uneinigkeit. Daher scheint es das einzig Richtige, sich genau jetzt zu fragen, für welche Werte die Freie Demokratische Partei in Deutschland steht und in der Zukunft stehen soll.
Außer Frage steht das Profil der FDP als Partei der Bürgerrechte. Seien es Onlinedurchsuchungen, Rasterfahndungen, großflächige Videoüberwachungen, Alkohol-verkaufsverbote oder Nackscanner. Wir lehnen Einschränkungen der Freiheit zum Schutze der Freiheit ab.
Viel schwieriger ist es allerdings, sich konkret zu Fragen des Sozialstaats und der Finanzpolitik zu positionieren mit klarem liberalen Kompass aber ohne gegen den sozialpolitischen Konsens in diesem Land in einer Weise zu verstoßen, die von den Bürgern zurecht abgelehnt werden würde. Korrekt verstanden liegt im Begriff der Leistungsgerechtigkeit der Schlüssel zu dieser Aufgabe.
Dem Ideal der Leistungsgerechtigkeit folgend, wollen wir eine Gesellschaft gestalten, in der ein jeder von uns durch Risikobereitschaft, Fleiß und Kreativität seine Lebensumstände verbessern und sozial aufsteigen kann. Es muss in einer gerechten Gesellschaft einen direkten Zusammenhang geben zwischen der Leistungsbereitschaft eines Bürgers und seinen Lebensumständen. Solange unsere soziale Marktwirtschaft diesen Grundsatz beherzigt, wird unsere Wirtschaft wachsen können und werden wir genau deswegen für diejenigen sorgen können, die weniger privilegiert sind als die meisten von uns und nicht aus eigener Kraft ihr wirtschaftliches Auskommen sichern können.
Die FDP hat immer verstanden, dass der Staat die Leistungsträger unserer Gesellschaft nicht übermäßig belasten sollte und, dass wirtschaftlicher Erfolg nichts ist, wofür man sich entschuldigen muss. Doch Leistungsgerechtigkeit kann nicht bedeuten, dass reiche Menschen stets reicher werden; dass sie ihre Gewinne für sich behalten und Verluste dem Sozialstaat oder einem Eurorettungsfonds aufbürden. Gerecht ist es, wenn die freien Berufe keine obere Einkommensgrenze haben – aber eben auch keine untere. Gerecht ist es, wenn Akademikerkinder mit guten Noten einen Hochschulabschluss erlangen können. Aber nicht, wenn das für alle Akademikerkinder und nur für einen Bruchteil der Kinder aus bildungsfernen Haushalten gilt. Es stünde der FDP gut zu Gesicht, sich im Sinne des so oft beschworenen ganzheitlichen Liberalismus für Leistungsgerechtigkeit auf allen Ebenen einzusetzen.
Weil genau dieser einfache Grundsatz, dass wer mehr arbeitet auch mehr verdienen muss, zu häufig nicht beachtet wurde und statt dessen Partikularinteressen ohnehin Wohlhabender bedient wurden – es mag ja guter Wille der Vater des Gedankens gewesen sein – steckt die FDP in einer Orientierungskrise, die zumindest ich in meinen bald zehn Jahren Mitgliedschaft so noch nie erlebt habe. Es ist an der Zeit, dass wir uns auf unsere Kernziele besinnen. Dazu gehört eben das Anerkennen von harter Arbeit und Ehrgeiz vor ererbten Privilegien. Die Bereitschaft Leistung anzuerkennen unterscheidet uns von den Linken. Aber das Wissen, dass häufig junge Menschen aus armen Familien oder Einwanderer viel mehr zu leisten bereit sind als Kinder mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund unterscheidet uns von den Konservativen in diesem Land. Zumindest sollte es das tun. Weil jeder Bürger seine eigene ganz persönliche Chance verdient und auch ergreifen muss.
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