jeudi 9 décembre 2010

nachdem ich gestern

von jemandem, dessen Meinung für mich immer ein ganz wichtiger Gradmesser für politische und moralische Entscheidungen war, für meine Zustimmung zu Wikileaks kritisiert wurde, folgt nun hier eine längere Auseinandersetzung mit eben dieser Plattform.
Ich war schon vor dem bekannten Video großer Wikileaksfan und bin auch aktuell noch Anhängerin, wenngleich ich die Stimmen nachvollziehen kann, denen die aktuelle Veröffentlichung von Botschaftskorrespondenzen zu weit geht. Weniger weil es sich um Staatsgeheimnisse handeln mag, sondern vor allem deswegen, weil eben auch private Schicksale betroffen sind von Menschen, die sehr wohl ein Recht auf Privatheit haben.
Was mich an Wikileaks fasziniert ist die Offenlegung der extremen Informationshoheit, die sich Staaten und multinationale Konzerne herausnehmen. Die vollkommene Ohnmacht des Individuums diesen Akteuren gegenüber zeigt sich bei Aktivitäten von Geheimdiensten und in Kriegen besonders stark, wo staatliches Handeln, schon weil es geheim ist, der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogen ist. Wie soll denn ein Amerikaner abstimmen, wenn er gegen Geheimgefängnisse ist? Und wie soll ein Europäer abstimmen, wenn er nicht in ein amerikanisches Geheimgefängnis gesteckt werden möchte? Macht korrumpiert; auch demokratische Staaten. Und Wikileaks, gerade indem es die Machtfrage spiegelt und eine solche Zumutung für unsere eingefahrenen Denkstrukturen darstellt, führt uns diese Machtasymmetrie vor Augen.
Deswegen finde ich die Plattform gut, obgleich ich weder Anarchistin bin, noch jede einzelne Veröffentlichung sinnvoll finde.

2 commentaires:

Oliver Stirböck a dit…

Ich finde die Kritik an Wikileaks ebenfalls falsch. Wenn ich auch einen Unterschied zu einem verantwortungsvollen Journalismus sehe, der abwägt, welche Informationen er der Öffentlichkeit preisgibt. Wikileaks ist für mich ersteinmal nicht gut oder böse, sondern schlicht eine "neutrale" Plattform. Ebenso wie das Internet nicht gut oder böse ist. Es kommt immer darauf an, was man damit anstellt. Verantwortungslos finde ich es aber, wenn irgendjemand Tausende von Informationen ungefiltert an die Wikileaks gibt. Werden Kriegsverbrechen aufgedeckt, steht Wissenden sicherlich mit Wikileaks jetzt eine Plattform zur Verfügung. Das kann dazu führen, das vielleicht künftig wenig unter die Decke gekehrt wird. So wie geschehen finde ich die Weitergabe von Daten nur kriminell. Das kann ich auch nicht irgendwie als Faszinosum empfinden.

ECS a dit…

Da bin ich prinzipiell bei Dir. Natürlich sollte man nur dann, quasi aus Gewissensgründen, geheime Informationen rausgeben, wenn es erstens schwere Missstände aufzudecken gibt und wenn es zweitens keine interne Art geben kann diese zu beseitigen.